02./03.08.14: Genf (Annemasse) ==> Le Grand Bornand: 60 km, 1.380 hm

Nach wochenlanger Planung zu Strecke, Logistik und Gepäck ging es mit meinen zwei Kölner Begleitern endlich los auf unser Abenteuer in vollkommener Eigenregie; nur vorreservierte Hotels gönnten wir uns an den jeweiligen Etappenzielen. Anfahrt von Köln nach Genf via Offenburg, wo wir bei den Eltern des dritten Manns (naja eigentlich eher zweiten Manns) im Bunde übernachten und beim abendlichen Pastaessen Kraft tanken durften. Frühmorgens ging es dann staufrei weiter mit meinem süßen Clio Kombi (ja, da passen auch drei Personen samt Rädern rein) nach Annemasse, der französischen Grenzstadt 10km südöstlich von Genf. Je näher wir dem Ziel kamen, desto dunkler wurde der Himmel und die euphorische Stimmung änderte sich in Nachdenklichkeit. Was, wenn uns dieses Wetter die Woche begleitet. Auch bei Ankunft in Annemasse regnete es noch. Dort hatten wir eigentlich ein Parkhaus in der Innenstadt als Parkmöglichkeit auserkoren. Nachdem dieses aber unerwartet geschlossen hatte, folgten wir der Empfehlung des Touristenbüros auf einen kostenfreien Parkplatz in der Nähe des Bahnhof – eigentlich ganz praktisch, da wir die Rückfahrt mit dem Zug gebucht hatten. Als jedoch das Auto auf dem Parkplatz stand, riss beim Zusammenbauen der Räder die Wolkendecke auf und die Sonne kam zum Vorschein – sie sollte uns bis zum Ziel nicht mehr verlassen. Mit 3,5 kg auf dem Rücken in einem 20 l Kletterrucksack (SpeedLite) von Deuter inkl. neongelber Regenhülle ging es dann etwa 35 km profiliert zum ersten Anstieg, dem Col de la Colombière. Unten im Dorf ging es gleich unglaublich steil los und nach den ersten Höhenmetern trafen wir dann auch die Beschilderung zur „Route des Grandes Alpes“, auf deren Spuren fast unsere gesamte Route führte. Und noch ein Schildtyp entdeckten wir, welches uns die nächsten Tage weitere Orientierung geben sollte: eine Beschilderung mit Name des Anstieges, verbleibender Höhe, aktueller Meereshöhe und der Durchschnittssteigung im nächsten Kilometer. Mir erleichterten diese Schildern die Planung des Anstiegs ungemein. Nach 18 km bei 6,5% Durchschnittsteigung, die mir aber ungleich schwerer vorkamen, erreichten wir den 1.613 m hohen Col de la Colombière und damit den ersten Prestigegipfel der Tour de France. Nach dem obligatorischen Passfoto und einem kurzen Café im Gipfelrestaurant zog es uns schnell auf die kurze Abfahrt zum ersten Etappenziel, dem Hotel Les Glaieuls in Grand Bornand. Nach dem Einchecken und Räder verschließen begann der Rhythmus, der uns über die nächsten sechs Tage begleitete: duschen, Radkleidung waschen und zum Trocknen auf den Balkon in die Sonne hängen, Verpflegung im Supermarkt und beim Bäcker kaufen und ein Restaurant für das Abendessen suchen. Vor der kommenden Nacht zu dritt im Zimmer hatte ich gehörigen Respekt. Jedoch muss ich meinen beiden Begleitern ein großes Kompliment machen: keine nächtlichen Ruhestörungen und Sauberkeit im Zimmer.
 

 
04.08.14: Le Grand Bornand ==> Bourge Saint Maurice: 94 km, 2.700 hm
 
Nach meinem obligatorischen Dromedartrinkgebahren (1,5 l Wasser kurz nach dem Aufstehen) und einem typisch französischen Frühstück ging es gegen 8:30 Uhr weiter südöstlich in Richtung Bourges St. Maurice. Ich hatte schließlich nur eine Flasche zur Verfügung, da die zweite mit Gel und Riegeln gefüllt war. Die Sonne blieb uns treu; lediglich ein paar lockere Wolken waren zu sehen. Nach einer kurzen Einrollphase durch das Dorf ging es gleich in den ersten, sehr sachten Anstieg auf den Col de l’Aravis, meinem neuen Lieblingsanstieg. Auch die Jungs ließen es gemächlich angehen und so erreichten wir gemeinsam bald die Passhöhe auf 1.486 m. Nach einer kurzen Foto-, Windjacken- und Riegelpause stürzten wir uns recht vorsichtig in die Abfahrt nach Flumet, um schon bald wieder mit dem Klettern beginnen zu dürfen: Es wurde nun teilweise ein bißchen steiler, aber auch der Col des Saisies war mit seiner Meereshöhe von 1.650 m verbunden mit unserer Tatenkraft keine wirkliche Höhe. Oben wieder das gleiche Spiel mit Fotos, Essen und Anziehen; dieses Mal inmitten von Skiliften. Tatsächlich kamen wir zunehmend ins Zentrum des französischen Skisports. Immer wieder entdeckten wir auf Straßenschildern solch berühmte Namen wie Megève, Albertville oder Chambéry. Frankreich ist leider nicht Südtirol – zumindest was das Angebot an Trinkwasserbrunnen angeht. Und da unsere Wasservorräte zu Neige gingen, beschlossen wir am Fuße unseres dritten Passes, dem Col de Roselend, in einem kleinen Städtchen namens Beaufort unsere Mittagspause einzulegen und unsere Vorräte aufzufüllen. Gerade noch rechtzeitig vor der Mittagspause des dortigen Supermarktes, etwa ein paar Minuten vor 12:30 Uhr, kamen wir dort an und versorgten uns mit Speis und Trank. Mir tat die Mittagspause nicht gut, denn gleich zu Beginn des 19,5 km langen Anstieges legten die Jungs ein Höllentempo vor, welches ich nicht halten konnte. Und so ließ ich schnell abreißen und pedalierte gemächlich nach oben. Dieser Anstieg wird häufig als einer der schönsten in den Alpen bezeichnet. Vorbei an einem Bergseeufer inkl. mächtiger Staumauer, einem imposanten Wasserfall und quiekenden Murmeltieren kämpfte ich mich zum Gipfel, wären die Jungs ihr Rennen auf einem anderen Niveau bestritten. Immerhin habe ich was von der Landschaft gesehen – ganz im Gegensatz zu den Herren, die mich nachher erstaunt fragten: Ach, einen Wasserfall gab es auch? Ohne Worte. Doch auch ich erreichte irgendwann die Passhöhe, wo es leider kein Restaurant, sondern lediglich einen Verkaufsstand gab. Langsam zog der Himmel zu und ich drängte zur Abfahrt in unseren zweiten Etappenort, wo ich mir den Luxus eines Einzelzimmers gönnte. Bourg-Saint-Maurice ist ein recht geschäftiges Örtchen, dem man seine Nähe zu den berühmten Skiorten Les Arcs, Val d’Isère und Tignes deutlich anmerkte. Hier erwartete uns das merkwürdigste Hotel; sehr klein und irgendwie unwohnlich. Wahrscheinlich habe ich auch nur den schlechtesten Eindruck, da weit nach unserer Ankunft es gegen 19.00 anfing wie aus Kübeln zu schütten. Leider wollten wir doch da gerade Essen gehen. Ich verzichtete, denn Nasswerden wollte ich auf keinen Fall und heute konnte unsere Sachen nicht in der Sonne trocknen.
 


05.08.14: Bourge Saint Maurice ==> Saint Michel de Maurienne : 125 km, 2.280 hm


Tag 3: Für das Frühstück mussten wir heute selbst beim Bäcker sorgen, denn trotz Bestellung war selbst um 8.00 von Personal im Hotel nichts zu sehen. Auch auf Anrufe und Klingeln kam keine Reaktion. Ich überlegte mir derweil schon einen Plan B, wie wir zumindest an die Räder im abgeschlossenen Skikeller kämen: die Polizei… Wider Erwarten tauchte dann doch noch jemand auf, aber eine Entschuldigungsgeste Fehlanzeige. Ein Grund mehr, warum ich dieses Hotel Arolla nur sehr begrenzt empfehlen kann. Immer schien wieder die Sonne. Sehr spät erst gegen 9.15 brachen wir dann zur höchsten Passstraße auf, dem 2.764 m hoch gelegenen Col d’Isèran. Erst ging es auf einer vielbefahrenen Straße leicht ansteigend nach Val d’Isère, wo wir unsere erste Pause planten. Auf dieser Straße gab es aber immerhin Schilder, die die Autofahrer anwiesen, mindestens einen Abstand von 1,50m zu Radfahren zu halten. Und daran hielten sich wirklich fast alle; das kannte ich so weder aus Deutschland noch aus Südtirol. Auch Hupen gab es nicht. Da könnten sich die fränkischen Autofahrer mal etwas abschauen… Nun ja. In Val d’Isère hätte ich mich auch gerne mit neuen Gels versorgt. Aber die gab es nicht. Kein einziges Sportgeschäft führte Gels, wir wurden immer an Supermärkte oder Apotheken verwiesen, wo wir aber auch nicht fündig wurden. Und das auf den Spuren der Tour de France. Wir seien nicht die ersten, die fragten. Klar, aber warum es trotzdem keine gibt, bleibt mir unerklärlich. Ein Händler erklärte, dass er nicht das Risiko des Überschreiten des Haltbarkeitsdatums auf sich nehmen wollte. Muss ich nicht verstehen. Dann jedenfalls begann der landschaftlich schöne Teil der Strecke und ohne weitere Schwierigkeiten erreichten wir nach weiteren 25km die Passhöhe. Die dünne Luft merkte ich zum Glück kaum und wieder halfen mir die gelben Hinweisschilder, mich hinsichtlich der verbleibenden Strecke zu orientieren. Zusätzlichen Anhalt bot übrigens ein Höhenprofil mit all unseren Anstiegen, welches wir auf dem Oberrohr befestigt hatten. Oben am Isèran war es ziemlich windig und sehr frisch, so dass wir uns einen Espresso im dortigen Restaurant gönnten. Hier wechselte ich auch erstmals kurzzeitig die Klamotten. Und mein nasses Trikot wurde einfach zum Trocknen hinten a Rucksack befestigt; mit Sonnen- und Windunterstützung klappte das prima. Oben am Passschild trafen wir auf ein deutsches Pärchen, die mit schwer bepackten MTBs samt Zelt unterwegs waren. Sechs Woche Alpencross hatten die beiden vor, fernab jeder Zivilisation. Plötzlich kam mir unser Abenteuer doch sehr klein vor. Nach unzähligen Fotos der umliegenden schneebedeckten Gipfel ging es zunächst abwärts weiter zu einer kleinen, fiesen Zwischensteigung, die als Col de la Madelaine gekennzeichnet war (nein, das war nicht der „berühmte Madelaine). Langsam wurde es dann auch wieder warm und wir passten unsere Kleidung entsprechend an. Leider hatte sich einer er Jungs beim Aufstieg auf den Isèran ein wenig verausgabt und zu allem Übel noch einen Hungerast erlitten. Also blieb mussten wir uns die Führungsarbeit zu zweit teilen. Gar nicht so einfach, denn der Wind blies uns gnadenlos ins Gesicht. Zwischendurch legten wir noch eine kurze Pause ein. Dort konnten wir auf der anderen Seite der Schlucht kühn auf einem Felsen gelegen ein altes Fort bestaunen. Eine Möglichkeit, die andere Seite zu erreichen, war ein Flying Fox. Doch knapp 200m über dem Boden zu schweben; das war mir viel zu mulmig. Ich stärkte mich lieber mit ein paar Walderdbeeren, die zwischen den Felsen hervorragten. Nach einer gefühlten Ewigkeit erreichten wir dann unser Etappenziel: das Savoy Hotel in Saint Michel de Maurienne am Fuße des Col du Télégraphe. Wieder hatte ich ein Einzelzimmer, sogar mit Süd-West Balkon. Sehr praktisch für die anstehende Wäsche. Unsere Räder stellten wir in einem ehemaligen Kohlekeller ab, wo es aber sogar Luftpumpen und Fahrradständer gab. Diese Gelegenheit nutzte ich, um Luft für die nächsten drei Tage nachzufüllen. Ansonsten das übliche Spiel: Duschen, Waschen, Supermarkt, Essen gehen. In der Pizzeria unserer Wahl trafen wir auf eine französische Gruppe aus Annecy, die ebenfalls die gleiche Route wie wir fuhren. Direkt am Einstieg zum Télégraphe gelegen inspizierten sowohl die als auch wir schon einmal die Steigung, während wir auf den Kohlehydratnachschub warteten.

 


06.08.14: Saint Michel de Maurienne ==> Guillestre: 127 km, 3.590 hm

Tag 4: Der Tag begann früh. Ich hatte mit den Jungs vereinbart, alleine eine gute halbe Stunde früher aufzubrechen, um entspannt und ohne die taktischen Spielchen die Königsetappe zu starten. So frühstückte ich typisch französisch mit einem frischen Croissant und einem halben Baguette vom örtlichen Bäcker und startete bereits gegen 7.20 in Richtung Col du Tèlègraphe. Natürlich wieder bei Sonnenschein. Obwohl ich vorher eine flache Runde durch’s Dorf drehte, war der direkte Einstieg mit teilweise zweistelligen Steigungswerten ohne Einfahren sehr gewöhnungsbedürftig. Zudem machte mir der Straßenbelag ein wenig zu schaffen, der gerade erneuert wurde und während meiner Auffahrt sehr rau und mit Querrillen übersät war. Dennoch erreichte ich die prächtig geschmückte Passhöhe nach einer guten Stunde, hielt das Momentum kurz mit ein paar Fotos fest und machte mich auf die kurze Abfahrt nach Valloire, um den sagenumwobenen Galibier zu erklimmen. Unten in Valloire tankte ich an einem Brunnen noch einmal Wasser nach, aß eine Banane und dann begann der Anstieg über 18 km mit etwa 7% Durchschnittssteigung. Gleich aus dem Ort heraus zog sie kurz deutlich an, wurde dann aber wieder erträglicher. Die Auffahrt zum Galibier konnte ich sehr rhythmisch gestalten und ich bin zu keiner Zeit an meine Grenzen gegangen, ein sehr schöner, aber gewaltiger Anstieg. Und irgendwie schwang auch ein bißchen der Respekt vor diesem sagenbehafteten Anstieg mit. Der letzte Kilometer hatte es in sich, noch ein Murmeltier gesehen und schon hatte ich den viel zu kleinen Parkplatz auf der Passhöhe erreicht. Schnell die Windjacke an und los auf die Fotopirsch. Vor dem Passchild gab es schon eine regelrechte Schlange. Aber es half jeder jedem, so dass jeder sein heiß begehrtes Bild bekam. Zusätzlich musste ich unbedingt auch die traumhafte Hochgebirgslandschaft drumherum verewigen. Eine freundliche Französin agierte spontan als Fremdenführerin und Fotografin und zog mit mir geduldig und erklärend von einer Seite zur anderen. Aber da war doch noch etwas: genau, die gelben Schilder. Bisher hatte noch niemand von uns ein solches fotografiert und da wir nun dabei waren, die Savoyer Alpen zu verlassen, waren die Galibier-Schilder auch die letzten ihrer Art auf unserer Route. Also bin ich noch einmal einen Kilometer und etwa 100 hm hinunter gefahren, um zum einen endlich mein Schild zu fotografieren und dort im Café bei der Einfahrt des Autotunnels auf die Jungs zu warten. Lange dauerte es nicht und so schoss ich noch ein Bild des ersten Herren in voller Fahrt von zwei weiteren Radlern energisch verfolgt.

Anschließend machte ich mich gleich wieder gemütlich erneut auf zur Passhöhe. Schnell kam auch der Dritte im Bunde und nach den üblichen Fotosessions suchten wir das nächstgelegene Cafè, um unsere Wasservorräte zu füllen. Zwischenzeitlich war es richtig warm geworden. Auf der traumhaften Abfahrt nach Briancon wechselten wir uns schön ab und erreichten nach einer Mittagspause an einem Supermarkt bald diese Großstadt. Auf dem Weg durch die Stadt zum Einstieg in den Col d’Isoard stockte mir noch kurz der Atem: eine lange Rampe von mindestens 15% türmte sich vor uns auf. Mehr als „Oh nein“ fiel mir nicht dazu ein. Das war in unserem Roadbook sicher nicht enthalten. Doch kurz vor dieser Rampe dann schallerndes Gelächter und große Erleichterung: Wir durften vorher rechts abbiegen. Am Fuße des Izoards hielten wir noch bei drei übergroßen Rädern, die noch von der Tour de France übrig geblieben waren, selbstredend mit Foto. Der Izoard war weder der längste, noch schwerste Pass in unserem Portfolio. Aber plötzlich wollten meine Beine einfach nicht mehr und die größte Leidenszeit dieses Abenteuers begann. Ich ließ die Jungs ziehen, suchte mir erst einmal den nächsten Brunnen und aß noch einen Riegel. Und dann fuhr ich eine gefühlte Ewigkeit. Hätte ich doch nicht die zusätzlichen 100 hm auf den Galibier gemacht. Völlig fertig oben angekommen hatte ich 600 m mehr auf dem Tacho als meine Mitstreiter – soviele Schlangenlinien war ich gefahren, um die Steigung erträglicher zu machen. Und als wäre meine Qual nicht schon schlimm genug, wurde ich noch von einem obertollen Assos-Menschen angegiftet und rasend überholt, warum ich denn Schlangenlinien fahren würde. So ein Schwachsinn. Eigentlich brauchte ich meine Energie für andere Dinge, aber da musste ich einfach gegenhalten. So ein Idiot. Schließlich war nichts los und die Straße breit und übersichtlich. Hier gab es übrigens auch einen eigenen Streifen für Radfahrer, der mir aber gar nicht half. Die Autos waren eh freundlich, aber irgendwie immer in den Kurven kam Verkehr auf und ich musste ausgerechnet an der steilsten Stelle hoch. Blöder Streifen, also. Nun ja, oben ist der Izoard nett, aber nichts gegen das, was wir davor gesehen hatten. Die berühmten Felsen – o.k. Ich wollte einfach nur weiter ins Hotel im nächsten Etappenziel, dem Ort Guillestre. Aber wieder hatten wir mit Gegenwind zu kämpfen. Zwischendurch sahen wir noch die Abzweigung zum Col d’Agnel, auch einer der höchsten Alpenpässe. Der passte aber leider nicht in unser Programm. Irgendwann erreichten wir dann endlich Guillestre und die eine der schönsten Überraschungen der Tour. Zwar hatten wir wieder ein Dreibettzimmer, aber unser supertolles Hotel Le Catinat Fleuri war voll auf Radfahrer eingestellt. Es gab einen kostenfreien Wäscheservice für Radfahrklamotten. Innerhalb von zwei Stunden hatten wir einen Satz frisch gewaschener Radkleidung. Unglaublich, endlich frische Wäsche und nicht selbst waschen. Zusätzlich gab es zwei Pools und ich genoss es, die Beine ein wenig im Wasser baumeln zu lassen. Hätte ich das gewusst: für einen Bikini wäre sicher noch Platz gewesen. Für so viel Wellness hatten wir fast keine Zeit, denn einkaufen und essen mussten wir ja auch noch. Guillestre ist wirklich eine Reise wert, nur leider völlig schlecht von Deutschland zu erreichen.

 


07.08.14: Guillestre ==> Saint Etienne-sur-Tinée: 90 km, 2.740 hm
 

Tag 5. Nach einem großartigen Frühstück mit vielen einheimischen Produkten (Butter, Milch, Marmelade) starteten wir gegen 8.00 zum Col de Vars, wieder im Sonnenschein. Schon unten boten sich beeindruckende Panoramen in die weiten Täler. Der Anstieg verlief ungleichmäßig terassenförmig, da sich immer wieder Steilstufen mit Abschnitten geringer Steigung abwechselten. Vars ist in mehrere Ortsteile geteilt und Skilifte begleiteten uns bis fast zur Passhöhe auf 2.106 m. Zwischenzeitlich huschte vor mir ein Murmeltier über die Straße, welches ich auch in Bildern festhalten konnte. Nun waren wir also kurz vor dem Col de la Bonette; der höchsten asphaltierten Straße der Alpen und zugleich der wesentlichen Trennwand zwischen uns und dem Mittelmeer. Gleich also in die etwas kühle Abfahrt gestürzt. Das Wetter hielt traumhaft und ich war unglaublich erleichtert, da der Bonette im Regen oder Schnee böse hätte enden können. Unten am Fußé des Bonette angekommen, entdeckte ich das erste Hinweisschild auf Nizza. Foto. Bevor ich den Bonette erklimmen wollte, gönnte ich mir noch eine Pause in Jausiers, wo mitten auf dem Dorfplatz auch ein Trinkwasserbrunnen zu finden war. Sehr praktisch, denn zwischenzeitlich brannte die Sonne unerbittlich und das war auch für den Pass so angekündigt. Also viel, viel Dromedartrinken. Ein wenig später kamen auch die Jungs, doch ich brach auf, um wieder meine Ruhe im Aufstieg zu haben. Und wie am Galibier begann ein anspruchsvoller, aber schöner Aufstieg über 24 km in der prallen Sonne mit 6,7%. Einzig störend waren unheimliche viele Fliegen- und Bremsenschwärme, die sich trotz zunehmender Höhe nicht abschütteln lassen wollten. So zog ich trotz Hitze meine weißen Armlinge über, was die Situation deutlich entspannte. Eine einzige hat mich letztendlich erwischt. Der Pass selbst liegt nur auf 2.715 m, aber es gibt eine Panaromaschleife zur Cime de la Bonette auf 2.802 m, die damit eben die höchste asphaltierte Straße ist. Ehrensache, dass bei dem Wahnsinnswetter das drinnen sein musste. Leider war sie nochmals sehr steil, aber das Ziel vor Augen klappte es dann irgendwie doch. Oben angekommen ließ ich es mir nach dem obligatorischen Foto nicht nehmen, auch zu Fuß noch den 2.860 m hohen Gipfel zu erklimmen. Fast geschafft, im Zweifel wird hetzt nach Nizza nur noch gerollt. Schon irgendwie ein erhebendes Gefühl. Auf der Abfahrt zog es dann ziemlich zu, aber noch regenfrei erreichte ich nach 25 km einsamer Abfahrt auch durch ein verlassenes Dorf aus Kriegszeiten unser letztes Etappenziel: das Hotel Le Regalivou in Saint Etienne sur Tinée. Dort erwarteten uns wieder Rekorde, dieses Mal allerdings in minimalistischer Hinsicht. Macht nix, nur noch eine Nacht bis Nizza. In unser Dreibettzimmer passten nur unsere drei Betten, sonst nichts. Immerhin hatten wir eine Terrasse. Unsere Räder waren gegenüber in einem nicht mehr bewohnten Haus untergebracht. Gewöhnungsbedürftig. Dieses Mal beschlossen wir, im Hotel zu essen. Eine recht gute Wahl, da alles selbstgemacht und heimisch schmeckte.

 

 
08.08.14: Saint Etienne sur Tinée ==> Nizza: 147 km, 2.930 hm
 

Tag6: Nach einer kurzen Nacht wollten wir früh aufbrechen. Doch aus einem frühen Frühstück um 7.00 wurde nichts. Alles noch verschlossen. Um keine Zeit zu verlieren, gingen wir schon einmal zum örtlichen Bäcker und versorgten uns mit Croissants, Baguette und Quiche. Nach unserer Rückkehr konnten wir dann doch noch auschecken und erhielten auch unsere Räder unversehrt zurück. Auf also in die letzte Etappe unseres Abenteuers. Ausnahmsweise starteten wir mit einer langen Abfahrt, zur Feier des Tages auch ohne Gegenwind,  bevor wir nach etwa 30 km zum Col St. Martin abbogen. Sehr gleichmäßige 17 km mit 6% Steigung lagen vor uns. Zwischenzeitlich war die Landschaft mediterran geworden. Alles war viel grüner und duftete auch intensiver als in den Tagen zuvor. Landschaftlich ein Traum. Oben auf der Passhöhe herrschte reges Treiben, aber einen Brunnen gab es nicht. Macht nichts, der nächste Ort kam ja bestimmt. Und so hielten wir uns gar nicht lange auf, aßen einen kleinen Riegel und schwangen ab zur letzten Herausforderung des Tages: dem Col du Turini mit 15 km und 7,3%. Zwischendurch boten die Durchgangsorte genug Gelegenheit, auch unsere Flaschen wieder zu befüllen. Die Pause hatten wir morgens für den Col du Turini geplant – das war ein bißchen zu lang und so hatte ich viel, viel Hunger während der Auffahrt. Aber der Gedanke an Nizza ließ mich recht zügig weiterfahren. „Nur noch einer“ waren meine Worte bei Erreichen der Passhöhe. Nun aber erst einmal einen warmen Espresso und etwas zu essen. Der Rucksack sollte schließlich leerer werden. Auf der holprigen Abfahrt fuhren wir über zeitweise nasse Straßen und der Himmel wurde dunkler. Kein Regen, nicht jetzt, wir wollten doch im Mittelmeer baden. Die Wolken waren jedoch örtlich begrenzt und je näher wir dem Mittelmeer kamen, desto besser und wärmer wurde es auch wieder. Ein Hügel also noch, genauer gesagt 11 km bei 6% auf den Col de Braus. Eine Tour d’honeur – mit Feigen und verlockenden Pflaumenbäumen am Wegesrand, denen ich unzählige Male nicht wiederstehen konnte. ZU gerne hätte ich oben schon das Meer gesehen, aber daraus wurde nichts. Viele kleine Hügel versperrten den Blick. Etwas ungläubig kamen wir oben an, das war‘s? Nicht ganz, denn noch wartete eine kleine Gegensteigung kurz vor Nizza auf uns. Und dann war es auch schon geschafft. Aufmerksam hielten wir nach dem Ortseingangsschild von Nizza Ausschau: und um 17.10 war es endlich da. GESCHAFFT! Foto, Foto, Foto. Und dann schnell ins elegante Hotel Esatitude, einchecken, die Fahrräder kamen dieses Mal mit auf’s Zimmer und mit Rad ans Meer. Irgendwie passten wir nicht in das rege Treiben von Strandurlaubern. Egal, unsere Räder nahmen wir mit runter an den Steinstrand, schlossen sie zusammen und dann war es so weit: Taufe unserer Radklamotten mit dem Wasser der Côte d’Azur. Herrlich warm und erfrischend zugleich. Anschließend genoss ich noch meinen Croissant in der Abendsonne, zwei Stunden Chillen, ein Traum nach der Woche dieser vor allem mentalen Belastung.

 


09./10.08.14: Rückreise mit dem TGV nach Genf und weiter nahe Offenburg/Köln
 
Eine kleine Ehrenrunde gönnten wir uns mit dem Rad entlang der Strandpromenade noch. Dann war es Zeit unsere Räder für den Transport fertigzumachen. In diesem TGV gab es kein Radabteil; also hatten wir vorgesorgt und einen 240l Müllsack und 6 Kabelbinder inkl. Fotoanleitung mitgebracht. Damit sollten unsere Räder den Transport nach Genf schaffen. Am Bahnhof herrschte völliges Chaos und wir dachten schon, es sei eine Bombendrohung. Mitnichten, lediglich die Anzeigetafel war ausgefallen und nach Abfahrt des TGV nach Paris wurde es auch deutlich übersichtlicher. So verpackten wir dann am Vorplatz in vorbildlicher Teamarbeit unsere Räder; für jedes brauchten wir nicht einmal 10min. Glücklicherweise war der TGV zumindest in Nizza noch leer, so dass wir unsere Räder problemlos mit „fragile“ gekennzeichnet in den großzügigen Gepäckfächern unterbrachten. Im Laufe des Fahrt wurde es voller und auch anstrengender, die andern Fahrgäste davon zu überzeugen, ihre Koffer nicht auf die Räder zu legen. Nach sechs Stunden aufregender Fahrt und diversen Polizeieinsätzen wegen Taschendieben erreichten wir Bellegarde, wo wir aufgrund von Bauarbeiten an der Strecke umsteigen mussten. Kurzfristig hatten wir entschieden von Bellegarde direkt nach Annemasse und nicht via Genf zu fahren, um Zeit zu sparen und unseren in Nizza an einer Erkältung erkrankten Mitfahrer zu schonen. Die freundliche Schaffnerin im Zug organisierte uns eine Verbindung inkl. Fahrkarten. Leider war das ein Trugschluss, denn der Busfahrer weigerte sich hysterisch uns mitzunehmen. Auch ein Mitarbeiter der dortigen Information konnte ihn nicht von seinem Willen abbringen. Und da standen wir und überlegten hin und her, was nun die beste Möglichkeit wäre, nach Annemasse zu kommen. Glücklicherweise gab es eine knappe Stunde später noch einen Regionalzug, der ebenfalls in Annemasse hielt. Und so nutzten wir die Zeit, uns kurz wieder zu verpflegen und gönnten uns zum Abschluss ein paar Petit Fours vom örtlichen Bäcker. Um 18.45 erreichten wir schließlich Annemasse, mein Auto wartete schon und gegen Mitternacht erreichten wir dann unser allerletztes Etappenziel bei Offenburg. Frühmorgens am nächsten Tag ging es dann wieder nach Kölle, wo ich erleichtert mein unversehrtes Rad wieder auspackte.
 


Ein kurzes Fazit:
Eine solche Fernfahrt funktioniert auch selbst-organisiert: Der zugegeben leichte Rucksack (aber inhaltlich dank hochtechnischer Hochtourenkleidung) hat mich zu keinem Zeitpunkt wirklich gestört, die Etappen sind aus Distanz- und Höhenmetersicht machbar und auch die Rückreise mit dem TGV ist mit ein bißchen Vorbereitung und Pragmatismus machbar. Wie das Ganze allerdings bei Schlechtwetter zu beurteilen ist, vermag ich zum Glück nicht zu sagen. Was bleibt, sind viele unvergessliche Erinnerungen und der Vorsatz, beim nächsten Mal ein paar Strandtage am Ende einzuplanen.

SGS Radsport

Sportgemeinschaft Siemens Erlangen Radsport